Einladung zum Widerspruch

Nachdem am 21.10.19 eine kritische Gegenöffentlichkeit eine Lesung von Thomas de Maizière verhindert hatte, will dieser nun am 26.11. um 18 Uhr erneut einen Versuch im Alten Rathaus starten, für seine Art des Regierens zu werben. Eine Art des Regierens, die über Leichen geht, die den Schulterschluss mit Despoten als staatsmännisch verniedlicht, an Krieg und Unterdrückung gewöhnen will und das Parlament belügt und die Zivilgesellschaft kriminalisiert.
Entschuldigen sie, Herr Ex-Minister, aber dass sich hiergegen Widerspruch erhebt scheint uns staatsbürgerliche Pflicht. Dazu laden wir die kritische Gegenöffentlichkeit herzlichst ein.

Wir erheben Widerspruch gegen den „Türkei-Deal“, durch den Millionen von Menschen in der Türkei selbst, aber auch auf den Griechischen Inseln festgesetzt werden und die das Sterben im Mittelmeer weiter vorantreibt. Ein Deal, den sie, Herr de Maizière, daher auch gleich noch auf Nordafrika übertragen und Flüchtlingszentren in Nordafrika einrichten wollten.
Wir erheben Widerspruch gegen ihre Bereitwilligkeit, auf Erdogans Verlangen hin gegen Kurd*innen vorzugehen und sie hierzulande mit Hausdurchsuchungen und Kriminalisierungsversuchen zu überziehen.

Wir erheben Widerspruch gegen die von ihnen angestoßene Debatte um eine „deutsche Leitkultur“, mit der der AfD der Weg geebnet wurde, auf dem ihr der Einzug in noch das letzte Landesparlament gelang.

Wir erheben Widerspruch gegen die Art des Regierens eines Bundesministers für besondere Aufgaben, als der sie von 2005 – 2009 die Fachaufsicht über den BND hatten und so dem NSA halfen, die EU-Kommission und die französische Regierung auszuspionieren. Erst logen sie vor dem Bundestag, es gebe dazu keine Erkenntnisse, dann opferten sie Untergebene.

Wir erheben Widerspruch gegen unsere von ihnen vorangetriebene Überwachung und die Unterstützung der Kriminalisierung von Edward Snowden.

Wir erheben Widerspruch gegen das Regierens eines Kriegsministers, in dem sie von 2011-2013 z.B. eine Akte über Uwe Mundlos für den Untersuchungsausschuss zum NSU unzugänglich machten.

Und nicht nur wir erheben Widerspruch.
Jugendliche ohne Grenzen wählten sie aufgrund ihrer Art zu regieren zum Abschiebeminister (2010 und 2014), weil sie in ihren Amtszeiten als Innenminister (2009-2011 und 2013-2018) soviel Unmenschliches auf den Weg gebracht haben, dass wir hier gar nicht alles aufzählen können. Darunter unzählige Gesetzesverschärfungen gegen Geflüchtete, die die unmittelbarsten Rechte der Schutzlosesten unter uns immer weiter eingeschränkt haben.

Wir erheben Widerspruch gegen ihre tödliche Lüge, in Afghanistan gäbe es sichere Gebiete und also könne dorthin abgeschoben werden.

Wir erheben Widerspruch gegen die Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung, die sie mit der Behauptung voran getrieben haben, die Flüchtlingshelfer*innen im Mittelmeer würden mit Schleppern zusammen arbeiten. Die staatliche Seenotrettungsmission Mare Nostrum hingegen bezeichneten sie als „Brücke nach Europa“ und votierten für die Beendigung der Mission.

Wir widersprechen ihrer treibenden Rolle bei der Abschaffung des Kirchenasyls, das sie als Verfassungsminister prinzipiell und fundamental ablehnten.

Und wir erheben immer noch Widerspruch gegen jene, die dem Vertreter und Vollstrecker einer solchen Politik eine Bühne geben wollen und auch gegen jene, wie Johannes-Peter Herberhold, den Chef vom Literaturherbst Göttingen, der sich einer, wie er selbst sagt „blöden Assoziation“ erdreistet, man könne es in einem Atemzug nennen, wenn „es da einen antisemitischen Anschlag (gibt), da auf der einen Seite Ausländer gehetzt (werden), da ein Regierungspräsident umgebracht (wird), da ein Hochschullehrer seine Vorlesung nicht abhalten (kann) – und da ein symbolträchtiger Mann wie Thomas de Maizière in einer Kleinstadt wie Göttingen keine öffentliche Veranstaltungen machen (kann)“.
Demokratie, Herr Herberhold, muss vieles aushalten.
Ob es Leute wie sie aushält, muss sich erst noch weisen.

Und ja, wir werden diesem Widerspruch auch am 26.11. zu ihrem, Herr de Maizière zweitem Versuch, in Göttingen zu lesen, öffentlich auf der Straße Gehör verschaffen. Denn es geht bei unserem Widerspruch nicht um unser moralisches Wohlbefinden, auf der richtigen Seite zu stehen, sondern um das Leben und die Rechte von Hundertausenden von Menschen. Und um die Meinungsfreiheit.

Und wir laden herzlichst dazu ein, sich unserem Widerspruch anzuschließen.